Entspannende Kampfkunst – Taiji stärkt neben den Muskeln und der Ausdauer auch die Geistesfähigkeit

BNN, 05.03.2021, Text und Foto: Sarah Nagel

Wenn der weiße Kranich seine Flügel ausbreitet oder der blau-grüne Drache aus dem Wasser schießt, die Lebensenergie fließt und der Geist Ruhe findet – dann hat man alles richtig gemacht. Mehrere Millionen Menschen weltweit praktizieren die einst in China entwickelte Kampfkunst Taiji. Auch im Westen ist die Ausübung der komplexen Bewegungsabläufe, die hierzulande oft als „Tai Chi“ oder „Schattenboxen“ bezeichnet werden, in den vergangenen Jahrzehnten immer beliebter geworden. „Wobei es bei uns mehr als Entspannungsmethode verstanden wird – was es aus der Historie heraus eigentlich nicht ist“, betont Sasa Krauter.

Die 55-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren zertifizierte Taiji-Lehrerin. Sie unterrichtet in Karlsruhe, momentan aufgrund der Pandemie-Beschränkungen allerdings nur per Digital-Kurse. „Mittlerweile kommen immer mehr Menschen, die sich für die Kampfkunstwurzeln des Taiji interessieren. Aber natürlich richtet sich die Bewegungslehre prinzipiell an alle, denn sie lässt sich an jede Zielgruppe und jedes Alter anpassen.“ Taiji ist ein echtes Ganzkörpertraining, das auf physischer Ebene die Leistungsfähigkeit in den Bereichen Muskelkraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Atmung steigert. Mental gesehen dient es unter anderem der Vorbeugung von Stress. Es kann somit als Therapie, Prophylaxe oder sogar zur Selbstverteidigung eingesetzt werden. „Taiji folgt den philosophischen Lehren des Daoismus. Es geht darum, Körper und Geist in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen“, erklärt Krauter. „Dabei gilt das Grundprinzip der Theorie von Yin und Yang.“ Das bedeutet, dass alle Dinge im Universum sich aus Gegenpaaren zusammensetzen: zum Beispiel hell und dunkel, langsam und schnell, stark und schwach. Diese verändern und bewegen sich ständig, und wenn eine Seite die Oberhand gewinnt, geraten Körper und Geist in Disharmonie. Die Techniken des Taiji helfen dabei, dieses Gleichgewicht wiederherzustellen. Der Erfolg ist anhand zahlreicher klinischer Studien belegt.

Kein Wunder, dass viele Krankenkassen entsprechende Kurse bezuschussen. Wer allerdings wirklich in die Welt des Taiji eintauchen möchte, benötigt einen längeren Atem, erklärt Krauter. „Für einige Menschen sind die bedächtigen Bewegungsabläufe und Stehmeditationen, die wie praktizieren, ungewohnt“, gibt sie zu bedenken. Darüber hinaus geht es zu Beginn vor allem darum, die Haltungen möglichst fehlerfrei einzunehmen – da wird von dem Lehrenden viel korrigiert. „Besonders am Anfang braucht es vom Schüler schon ein gewisses Frustrationspotenzial“, lacht die Wahl-Karlsruherin. Doch gerade diese Basis ist wichtig. Denn nur wer sich von der Erde getragen fühlt, kann diese Sicherheit und Beständigkeit in diese Bewegung überführen. Dann kommt es irgendwann zu dem fließenden Wechsel von Langsam und Schnell, von Nachgeben und Vorwärtsdrängen, das Taiji ausmacht. „Das Gute ist, dass sich schnell ein Wohlbefinden einstellt, das die Anfänger bei der Stange hält“, hat Krauter die Erfahrung gemacht.

Wer einmal ausprobieren möchte, ob Taiji etwas für ihn ist, dem empfiehlt die studierte Sportwissenschaftlerin unter den aktuellen Pandemie-Umständen Online-Tutorials für Anfänger unter professioneller Anleitung. Auch das „Personal Training“ ist erlaubt. Sicher ist: Körper und Geist zu stärken, die Energien in Einklang zu bringen, stressresistenter zu werden – all das kann momentan wahrlich nicht schaden.

Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung als Taiji-Lehrerin weiß Sasa Krauter, wie man Körper und Geist stärkt sowie die Energien in Einklang bringt.

BNN, 05.03.2021, Text und Foto: Sarah Nagel